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Themen: GeGe Ausstellungen / Datum: 20.03.2015

GeGe

Ansprache zur Eröffnung

Ansprache zur Eröffnung der George Gessler-Ausstellung in Gnadenthal
22. Feb. 2015
Hanspeter Zürcher, Pfr. Dr. phil.


Liebe Gäste
Wir stehen inmitten eines Kosmos von Farben und Formen, aber auch von Inhalten, die nicht nur George Gessler bewegten, sondern die uns beschäftigen, sobald wir unserer Welt und uns selber mit offenem Geist begegnen.
Ich freue mich, mit Ihnen einige Bilder etwas genauer anzusehen.

Dabei soll weniger die kunstgeschichtliche Einordnung eine Rolle spielen. Vielmehr möchte ich die Bilder in ihrer Einmaligkeit wirken lassen. Einen Schwerpunkt bilden Werke aus den 50er und frühen 60er Jahre. Daran anschliessen möchte ich eines aus den 90er Jahren.
Die Lebensdaten von GeGe, wie er sich nennen liess: 1924 geboren  in Zürich, gestorben 2012 in Ottenbach, also hier im Reusstal.

Komposition ca.1955
 
Eines der wenigen erhalten gebliebenen, rein abstrakten Bilder aus einem Zyklus des damals gut Dreissigjährigen.
Dunkelgraue Linien, in unregelmässigen Abständen mehr oder weniger in der Senkrechten und Waagrechten, bilden ein Gitter. Dieses erhält durch die Dynamik von Spiralen einen Kontrapunkt. Die Zwischenräume leuchten gelblich hervor. Farbspiele und -gegensätze werden aufeinander bezogen und in der Grösse genau abgewogen. Die Flächen sind farblich miteinander so in Beziehung gebracht, dass keine Anspielungen auf Gegenständliches entstehen. Dies würde die Feinheit der Wirkung stören und den gerade in der Abstraktion erst hörbaren Klang verhindern. So aber  lassen die musikalisch wirkenden Farbakkorde  einen ganz eigenen Raum entstehen.
Die Farbflächen wirken so, als wären sie nicht zwischen, sondern hinter dem Liniengitter angeordnet. Nicht dass der Raum definiert wäre. Ehe könnte man von einer diaphanen Struktur sprechen, in der von hinten her Farbe und damit auch Licht nach vorne dringt. Materie, das Dasein selber wird auf seine Lebendigkeit, auf seine Raumtiefe, sein Atmen hin ausgelotet.
Die Bilder dieses Zyklus' deuten an, dass wir durch die vordergründigen Strukturen des dinglichen Lebens hindurch spirituelle Kräfte erahnen können. Dabei sind das lineare Gefüge des Liniengitters und  die Farbflächen von einander abhängig. Es ist wie bei den Gleichnissen im NT:
Dessen Gleichnisse sind zwar nur Hinweise auf ein dahinterliegendes Grösseres, das wir nur symbolisch erfassen können. Sie sind stets aber als Lebensgeschichten  auch Inkarnationen dessen, worauf sie hinweisen.  Gleichnis und Reich Gottes sind deshalb zutiefst miteinander verbunden.  
Für GeGe galt es, mit Linien, Flächen und Farben genau das auszudrücken. Die Flächen sind also nicht einfach selbständige Grössen hinter dem Gitter, sondern sie sind mit diesem verbunden, obschon sie sozusagen aus einer anderen Welt stammen. Es ist spürbar, dass diese andere Welt die vordere trägt und sie mit Leben erfüllt. Und umgekehrt gibt das Gitter erst die Möglichkeit, das Dahinterliegende als solches wahrzunehmen. Es gilt, mit Sinnlichem auszudrücken, was dieses übersteigt.

GeGe kommt von der französischen Malerei her. Er hat diese in den 50er Jahren in Paris ausgiebig kennenlernen können. Neben dem Kubismus ist der Orphismus spürbar, also die Ueberzeugung, dass den Farben auch Töne entsprechen. Ziel des Orphismus war es, wie die reine  Musik eine reine Malerei zu entwickeln, die, losgelöst vom Gegenständlichen, eine rhythmische Farbharmonie darstellen sollte. Delaunay ist hier zu nennen, der späte Kubismus, Leger ist spürbar, auch der Blaue Reiter, Feininger, Manessier. Und weiter zurück sind es die Glasfenster der französischen Kathedralen mit ihren dunklen Bleiruten und dem lichterfüllten Farbglas, welche letztlich den Boden für all dieses Arbeiten und Suchen bilden.

Frauen unter dem Kreuz, 1960
 
Was aber, wenn die Realität stärker ist als die Kraft der Symbole, der Linien und Farben?
1956 ereignete sich der Ungarnaufstand. Das Niederwalzen der Freiheit durch die sowjetischen Panzer hat auch Gessler tief getroffen. GeGe engagiert sich mit seinen Passionszyklus, der 1960 fertig wird und von dem auch Werke hier in der Ausstellung zu sehen sind.
1961 malt GeGe das Bild der Frauen unter dem Kreuz, Krieg - Nachher betitelt. Ein zutiefst christliches Werk, das durch seine flächig-frontale Art den Betrachter direkt anspricht und das zugleich zur Meditation auffordert und in der Tradition der Andachtsbilder steht.  
Die zwei Frauen sind im Schmerz miteinander verbunden. Und doch leidet jede ihre Trauer für sich. Die Kniende hat ihren Oberkörper aufgerichtet. Ihre Gesichtszüge klagen das Leid an. Die Schultern fallen herab. Sie ist schwach. Ihre Kraft besteht in der Anklage, im Deutlichmachen ihres Leides. Ihr Gebet wird sichtbar. Die sitzende Gestalt im Profil verbirgt ihr Trauern. Sie ist still, in sich gekehrt, wortlos. Der graue Boden um beide Frauen ist steinhart.
Das zerbrochene Schwert und der zerschossene Helm berichten vom Tod der Männer. Karabiner, Munitionstasche und Stacheldraht sind dem Kreuz überantwortet. Das dunkelrote  Kreuz fasst das Leiden in und an dieser Welt zusammen.
Dahinter die Grabkreuze.
Ueber ihnen der Hügel von Golgatha als Ausdruck der Hoffnung. Schon ist das grosse Kreuz im Vordergrund an seinem einen Arm zerstört. Genau von da her fällt das goldene Licht auf das Gräberfeld. Von kristallischer Kraft ist dieses Gold, das noch überhöht ist durch das Rot des Hügels, getränkt vom Blut der göttlichen Zuwendung. Der orangefarbige Himmel: drückt er den Schmerz dieser Welt aus, oder ist er Ausdruck des himmlischen Erbarmens, das sich hinter den Frauen ausbreitet, auch wenn sie es kaum wahrnehmen? So wie in der einen Ostergeschichte Jesus als der Gärtner von hinten her die trauernde Maria anspricht?

Fischfang Antibes, 1961
 
GeGe hat immer wieder Reisen unternommen, in den Osten, nach Italien und des öftern auch nach Südfrankreich. So sehr sie eine Abwechslung waren zum Alltag hier, bedeuteten solche Wochen oder Monate für ihn nicht Ferien, sondern Arbeitszeit. Stets war er so auf der Suche nach neuen Motiven. Mit Skizzen hielt er seine Eindrücke fest, um diese dann zu Hause verarbeiten zu können. So reiste er auch mit dem Malerkreis von Saint Germain des Prés zusammen an die Akademie von Antibes bei Cannes. Dort entstand zwischen 1959 und 1961 ein 20 Bilder umfassender Zyklus über die Fischer von Antibes.

Wie sind die Fläche des Meeres, die verschiedenen Boote, die Fischer, die Küste, der Himmel miteinander auf einem Gemälde zu verbinden? Wie können diese verschiedenen Elemente zu einer modernen kompositorischen Einheit verbunden werden? Was auf unserem Bild Fischfang vor Antibes auffällt, ist das Einbauen verschiedener Lichtquellen.  Da sind die fünf Bootslampen der Fischerboote, welche des Nachts die Fische anlocken, da ist der Scheinwerfer des Leuchtturmes, und da sind schliesslich auch der Mond und dessen Spiegelung im Wasser. Die Lichtkegel strukturieren. Die Boote sind zu einer Einheit zusammengefasst, einer in hellerem Blau irisierenden Kreisfläche. An diese schliessen sich in Grau gehalten die ausgeworfenen Netze an. Rot leuchten die Bootslampen auf. Die Holzschiffe sind von der Seite her gesehen, das vorderste von vorne. Die Fischer stehen alle. Sie sind an der Arbeit und hoffen angespannt auf guten Fang. Ihre Köpfe bilden eine Entsprechung zu den Kreisformen der Lampen und des Mondes.
Das strahlende Spiel mit den Lichtquellen mag uns daran erinnern, dass GeGe in seinen beruflichen Anfängen Bühnenmaler war. Er war Chefassistent von Theo Otto. Und es war dann 1954 eine grosse Ausstellung von Picasso, welche ihn mit aller Kraft davon überzeugte, den Weg als Maler zu gehen und die Arbeit am Schauspielhaus aufzugeben.
Nicht dass er nun ein Picasso-Nachfolger geworden wäre. Aber die Faszination davon, wie man eine Leinwand strukturieren, wie man ein Bild aufbauen und verdichten kann, ist auch auf ihn übergesprungen. In Antibes erkannte er für sich die Aufgabe, so verschiedene Formelemente wie Schiffe, Netze, Menschen, Lichtkegel, Meer, Land und Gestirn zu einem expressiven Ganzen zu verschmelzen.
Ein biblisch so versierter Maler wie GeGe nimmt ein solches Motiv wie den Fischfang nicht auf, ohne an die Geschichten aus dem Evangelium zu denken. Zwar wird nirgends direkt etwas vom wunderbaren Fischzug aus dem Johannesevangelium eingebaut, auch die Berufung der Jünger zu Menschenfischer ist nicht direkt ausgesprochen. Aber diese Inhalte schwingen mit. Land und Wasser, ja Himmel und Erde kommen hier zusammen. Die Lichter schweben auf den Wassern. Die Fischer stehen vor uns in einer Erwartungshaltung. Es geschieht, hat man den Eindruck, etwas Besonderes in dieser Nacht. Die ganze Fischergruppe ist hier schon eine Einheit. Und sie stellen ihr Licht nicht "unter den Scheffel". Es leuchtet auch von der "Stadt auf dem Berge" herunter. Und der Mond bleibt nicht Mondsichel, sondern ergänzt sich zum runden Gestirn. Alles vibriert in intensiver Spiritualität.

Rêve à Paris, 1961
 

Die Zeit der 50er Jahre mit den langen Aufenthalten in Paris ist vorbei. Doch die Sehnsucht nach dieser Stadt und den Menschen dort blieb. Davon erzählt der Zyklus Rêve à Paris.
Es ist die grosse Thematik von Traum, Liebe und Sehnsucht. Es sind die ganz starken Gefühle, denen sich hier GeGe ausgesetzt sieht.  Als Maler gestaltet er sie mit einer Verbindung von rationaler Kühle und leidenschaftlicher Expressivität. Die Statik des Aufbaues ermöglicht es, verschiedenste  Emotionen gleichzeitig festzuhalten. Der Schlafende öffnet sich. Er bildet mit den über den Kopf verschränkten Armen eine Resonanzebene für all die Erinnerungen: den Eiffelturm, Häuser von Paris, eine Frauengestalt, eine brennende Strassenlaterne, eine Treppe, die rot leuchtende Sonne, ein Liebespaar in den Lüften, die Sehnsucht nach Vereinigung.
Doch nicht nur die Stadt selber prägte GeGe. Hier lernte er die Welt des Malens in für ihn ganz neuer Stärke spüren. Hier begann er das Wesentliche seines Lebens zu erahnen, hier begann er zu unterscheiden zwischen dem Zitat: "Rennen nach Aeusserlichkeiten, das all das Gute in uns verbraucht" und der "Blume des Lebens". Hier wünschte er, Dass" das Grosse in mir stark sei und mächtig werde".  Hier schrieb er 1955: "Darum liebe ich auch das, was ganz aus dem Innern kommt am meisten, all das, was zuerst ganz stark durch mich hindurch muss, all das Innere Ferne, die ewige Sehnsucht im Herzen."(aus: Gedanken von 1955)
So ist es nicht nur Paris, was den Maler 1961 diese Träume rund um die Stadt malen lässt, es ist auch der damals dort errungene Entscheid, ganz Kunstmaler zu sein. Dies war von existenzieller Bedeutung. es hiess für ihn und seine junge Familie, viel Einfachheit auf sich zu nehmen und das Leben in einem ganz bescheidenen Anwesen im Maggiatal zu führen, wo er über ein Jahrzehnt verblieb, bevor er dann dank Katharina Böschenstein 1970 nach Ottenbach wechseln konnte. Die Bilder dieses Traumzyklus' sind aber auch unabhängig von seiner biografischen Wende eine grosse und intensive  Liebeserklärung an die Stadt Paris. Das Faszinierende ist, wie sich die verschiedenen Motive durchdringen, durchkreuzen, transluzid Teil des je andern werden, so dass durch diesen strukturierten Zusammenhalt eine tiefgehende Wirkung entsteht. Die Farben sind berückend schön. Die Frauengestalt wächst nicht nur aus der unten horizontal liegenden und träumenden  rötlichen Figur empor. Sie ist in ihrem Lila auch mit der bläulich geprägten Stadt verbunden: sie wird so die Pariserin schlechthin und bleibt zugleich eine jener Frauen, die GeGe damals kennenlernen konnte. Die Intensität, die GeGe diesen Träumen geben wollte, zeigt sich schliesslich auch in der Malweise: dank der Spachteltechnik beginnt die Oelfarbe scheinbar zu vibrieren.  Wer so liebt, findet auch seinen Weg.

Weltenakrobat, 1993
 
Wir sind einen grossen Schritt weitergegangen. Nicht nur wir, auch GeGe.
Während zuvor die Hauptgestalt am unteren Bildrand lag und träumte, ist diese nun hoch über alles erhaben. Der Clown, dem sich GeGe in einem weiteren Zyklus zugewandt hatte, macht hier das völlig Unmögliche: er balanciert tänzerisch auf einer Weltkugel. Diese ruht auf einem Seil. Darunter die Stadt. Der Clown jongliert mit Bällen, ja mit Gestirnen. Ein Hochseilakt der besonderen Klasse. Gemalt mit Temperafarbe, die feinste Uebergänge zulässt. Etwas vom Luftigsten und Zartesten, dieses Gemälde: selber ein Hochseilakt.  Ich habe den Eindruck, der hier nun 70-jährige GeGe ist bei jener "Blume" angekommen, die er  als junger Mann suchte. Der lange Weg des Suchens, der konzentriertesten Arbeit auf der Leinwand nähert sich dem Ende. Der Weltenakrobat - wie das Bild betitelt ist - ist gelöst, in sich ausgeglichen, ja ein Herr des Kosmos, eines geistigen Kosmos. Er kann nun gelassen mit den Möglichkeiten des Daseins spielen. Der Abgrund ist zwar da, doch lockt er nicht mehr.
Der Weg dahin ging für GeGe durch die Beschäftigung mit den grossen Weltreligionen. Reisen in den Orient gehörten dazu, Uebungen im Meditieren, Christliches und Oestliches halfen dabei. Klassische Musik, Distanz zur äusseren Welt. Das Ringen eines Jakobs mit dem Engel wurde belohnt. Die Linien sind nun gross, durchgehend. Die Farben verhalten. Die Emotionen des Jungen weichen der Gelassenheit des Alten. Eine Heiterkeit und innere Freiheit wird sichtbar, wie sie wohl ein Clown verkörpern kann, wie sie aber uns Menschen nur selten, nur in besonderen Augenblicken geschenkt wird. Ob seine Bilder sein Innenleben wirklich abbilden, oder ob George Gessler in seinen Bildern eine Welt darstellen konnte, die er im eigenen Leben nur suchte, müssen wir offen lassen. Jedenfalls war er mit grösster Hingabe darauf ausgerichtet, seine inneren Visionen umzusetzen. Davon zeugt sein ganzes Werk, von dem wir hier heute einen schönen Teil sehen dürfen.
Den beiden Frauen, welche dieses Ereignis ermöglicht haben, Frau Katharina Gessler und Frau Briner, sei herzlich gedankt. Ich meinerseits danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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